Anatevka
Oper Graz
Geschichte …
Im Schtetl Anatevka befolgt jeder die Tradition – und jeder tänzelt ein bisschen wie ein Fiedler auf dem Dach. Die Tradition gibt jedem seinen Platz und seine Aufgaben in der Gesellschaft. Sie sieht es vor, dass Tevje, der Milchmann als Vater die Ehen für seine fünf Töchter arrangiert. Die älteren drei Töchter folgen jedoch ihrem Herzen und brechen diese Tradition. Sie heiraten aus Liebe – Zeitel ihren armen Schneider Mottel, Hodel den revolutionären Studenten Perchik und Chava schließlich sogar Fedja, einen russischen Christen.
So ändern sich die Zeiten, denn Männer beginnen mit Frauen zu tanzen – und in aller Brutalität kommt es zu Ausschreitungen beim Hochzeitsfest, das doch so fröhlich begonnen hat. Ein Progrom, und bald darauf die Nachricht, dass sie Anatveka verlassen müssen. Jeder packt seinen Koffer, um die Reise ins Ungewisse anzutreten.
Regie: Christian Thausing
Musikalische Leitung: Marius Burkert
Bühne & Kostüm: Timo Dentler /Okarina Peter
Licht: Sebastian Alphons
Dramaturgie: Bernd Krispin
Choreografische Assistenz: Sascha Pieper & Jacqueline Lopez
Ballett & Chor der Oper Graz
Fotos: Werner Kmetitsch für die Oper Graz
Videos: Reziprok / Roland Renner für die Oper Graz
… in Bewegung
Identität
Der Tanz hat in der Jüdischen Kultur einen hohen Stellenwert und eine tiefe Bedeutung. Tanz stiftet Identität und Gemeinschaft - zwei sehr zentrale Themen für die Geschichte von Anatevka.
Auf Jüdischen Festen tanzen einfach alle. Es sind also Tänze und Bewegungen, an denen jeder einzelne Schtetlbewohner beteiligt ist – das gesamte Solistenensemble, der Chor und natürlich das Ballett - wodurch dieses besondere Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb des Jüdischen Schtetls in einer enormen Intensität zum Ausdruck kommt.
Traditions-Bruch
Im Musical Anatevka wird der Tanz als dramaturgisches Element verwendet, mit dem die Handlung nicht nur unterstützt, sondern vorangetrieben und die Geschichte weitererzählt wird. Die Thematik des Aufbrechens von Traditionen wird in der Hochzeitsszene zentral über den Tanz abgehandelt.
Nachdem die Tradition zunächst in Form des Flaschentanzes als Höhepunkt zelebriert wird, initiieren der rebellische Student Perchik und seine spätere Verlobte, Hodel einen massiven Tabubruch: es beginnen Frauen mit Männern zu tanzen. Ein neues Freiheitsgefühl, das im nächsten Moment von einfallenden Russen, einem Pogrom, zerschmettert wird.
Kultureller Konflikt
Im Schtetl Anatevka lebten lange Jahre Jüdische und Russische Einwohner in friedlicher Eintracht nebeneinander. Die Reibungsfläche, welche das Aufeinandertreffen unterschiedlichen Kulturen und Mentalitäten bietet, verdichtet sich jedoch im Laufe des Stücks.
Noch bevor es zum Pogrom auf der Hochzeit und schlussendlich zur Vertreibung der Juden aus Anatevka kommt, kündigt sich der immer bedrohlicher werdende Konflikt zunächst in Form eines Tanzes im Wirtshaus an. Auf der Feier anlässlich der Verlobung von Tevjes Tochter Zeitel mit dem Fleischer Lazar kommt es zu einer spannungsgeladenen Situation, in der unklar bleibt, ob die Jüdischen und Russischen Gäste mit- oder doch gegeneinander tanzen.
In den Medien
KLEINE ZEITUNG
Choreographin Evamaria Mayer vermittelt die überbordende Fröhlichkeit einer jüdischen Hochzeitszeremonie ebenso wie das grenzgängerisch Gewagte des Flaschentanzes, in dem die Mitglieder des Balletts eine Flasche auf dem Kopf zu balancieren haben.
KLEINE ZEITUNG
Eine Sternstunde des Musicals der anderen Art gelingt Regisseur Christian Thausing bei seinem Debüt am großen Haus. (…) Gäbe es Corona nicht, würde man dem Team um Regisseur Christian Thausing (Choreografin Evamaria Mayer, den Ausstattern Okarina Peter & Timo Dentler sowie Lichtdesigner Sebastian Alphons) (…) minutenlang „Bravo“ zurufen. (…)
Sollte es einen Branchen-Insider von Londons West End oder den Vereinigten Bühnen Wien (VBW) trotz Corona nach Graz verschlagen, wird er wohl nicht nur angesichts der Auflösung der Hochzeit von Tevjes ältester Tochter blass werden: Weltklasse! (…)
Fazit: eine Sternstunde, die man gesehen haben muss!
– Christian Ude
kultrefgraz
Für einen Augenschmaus sorgten hingegen die Choreographien von Evamaria Mayer – stark, ausdrucksvoll, elegant und mitreißend.
– Cornelia Scheucher